Einlass 30 Minuten vorher
Moderation: Roland Wehl
Fjodr Michailowitsch Dostojewski ist der eine Stern am Russischen Literaturhimmel des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Er ist Teil des Doppelgestirns russicher Literatur Dostojewski und Tolstoj. Unterschiedlicher kann man gar nicht denken und sein als die beiden. Nach dem großen Auftakt mit Puschkin sind die beiden der Höhepunkt der Russischen Literatur, ein Höhepunkt der Literatur ganz allgemein.
In dem großen Werk Dostojewskis, das wie ein Hochgebirge durchwandert werden will und dessen Gipfel erstiegen werden wollen, ragen die „Brüder Karamasow“ heraus. Der Gipfel dieses Buches ist der Dialog des Kardinal – Großinquisitors mit Christus, eine Geschichte, die der zweifelnde, atheistische Bruder Iwan seinem jüngsten Bruder, dem Mönch Aljoscha, erzählt. Diese handelt davon, dass Jesus Christus im Sevilla des 16. Jahrhunderts erscheint. Es ist das Zeitalter der Inquisition. Obwohl Jesus kein Wort spricht, wird er von allen erkannt. Er wird daraufhin vom Großinquisitor (link) bemerkt und verhaftet. Dann wird Jesus verhört. Der Inquisitor teilt Jesus mit, dass er kein Recht habe, auf die Erde zurückzukommen und die Ordnung zu stören, welche die katholische Kirche in über tausend Jahren errichtet habe.
Jesus schweigt, aber der Inquisitor führt das Gespräch mit Jesus in der Wüste fort und denkt damit die Geschichte aus dem Matthäusevangelium radikal an ein anderes Ende. Er wirft Jesus vor, dass er das Brot, das Wunder und die Macht, die der Satan ihm angeboten hatte, zurückgewiesen habe und der Menschheit so eine Freiheit gegeben hat, mit der diese gar nichts anfangen könne und daher seither im Elend lebe. Der Großinquisitor gibt zu, dass er so zum Antichristen wird, mit dessen Hilfe er jedoch für die leidende Menschheit das Paradies auf Erden wiederherstellen will. Daraufhin küsst ihn Jesus schweigend und verlässt den Kerker, obwohl der Inquisitor vorgehabt hatte, ihn am nächsten Morgen auf dem Scheiterhaufen verbrennen zu lassen. Nachdem Iwan seine Erzählung beendet hat, bekennt er sich zu seiner radikalen Auffassung von Freiheit: „Alles ist erlaubt“. Als er seinen Bruder fragt, ob dieser sich deswegen nun von ihm lossagen werde, küsst ihn dieser als Antwort schweigend.
Die Parabel von Großinquisitor hat eine enorme Wirkungsgeschichte. Friedrich Nietzsche, Max Weber, Albert Einstein, Martin Heidegger und Albert Camus haben sie interpretiert. Romano Guardini und Karl Barth haben mit ihr das Verhältnis Gottes zu den Menschen und die Rolle der Kirche neu gedeutet. Der Berliner Komponist Boris Blacher hat das Oratorium „Der Großinquisitor“ auf der Basis von Dostojewskis Text kompniert.
Der frühere Politiker und heutige Pfarrer Steffen Reiche liest für uns diesen Text. Vielleicht kommen wir anschließend miteinander ins Gespräch.
Wir laden Sie zu einem Begrüßungsgetränk und später zu einem Imbiss am Buffet ein. Die Speisen und Getränke sind im Eintrittspreis enthalten. Bitte anmelden.